OBERGERMANISCH-RAETISCHER LIMES
Der Obergermanisch-Raetische Limes historisch
Ausgehend von einer einfachen Wegschneise wurde der Obergermanisch-Raetische Limes (ORL), insbesondere unter den Kaisern Hadrian (um 120 n. Chr.), Antoninus Pius (um 160 n. Chr.) und Septimius Severus (um 200 n. Chr.) zu einem System kontinuierlicher Barrieren ausgebaut (Palisade, Graben und Wall in Obergermanien, Palisade und Steinmauer in Raetien). Die Limeslinie war aber weniger ein militärisches Bollwerk, als vielmehr eine überwachte Grenze, an der die Ein- bzw. Ausreise kontrolliert und Waren gehandelt oder verzollt wurden. Bis in die Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. funktionierte dieser geregelte Grenzverkehr. Sein Ende kam mit einer zunehmenden Bedrohung durch die Germanen, aber auch im Zuge innerrömischer Auseinandersetzungen. Der ORL bildet den Schlusspunkt der römischen Expansion in Deutschland und verläuft vom Rhein nördlich von Koblenz durch den Westerwald, den Taunus, die Wetterau, entlang des Mains, durch den Odenwald und den Schwäbisch-Fränkischen Wald, das Albvorland, schließt das Nördlinger Ries ein und trifft westlich von Kelheim auf die Donau. Diese durchgehende künstliche Grenzlinie durchzieht damit eine Vielzahl unterschiedlicher Landschaften.
Mit Ausnahme eines 52 km langen Teilbereichs entlang des Mains handelt es sich um eine gezielt angelegte Landgrenze, deren Überreste vielerorts bis heute im Gelände einprägsam zu verfolgen sind. Insbesondere der kontinuierliche Verlauf der oftmals schnurgeraden Grenzmarkierung macht die Besonderheit des ORL aus und stellt häufig ein bedeutendes und bestimmendes Element unserer Kulturlandschaft dar.
Entlang der römischen Grenzanlagen reihen sich neben der eigentlichen Grenzmarkierung etwa 900 Wachttürme sowie 120 größere und kleinere Militärlager auf. Größere Kastelle finden sich sowohl direkt an der Limeslinie als auch zurückgesetzt im Hinterland. Die archäologischen Denkmäler des ORL bilden ein authentisches Zeugnis der Geschichte unseres Landes. Sie sind unverzichtbare und unersetzbare Quellen für die historische Forschung.
Der Obergermanisch-Raetische Limes heute
Auch in nachrömischer Zeit, an einzelnen Orten bis heute, hatte der ORL Einfluss auf das Leben der Menschen in seiner Umgebung. Er leistet über Orts- und Flurnamen oder über seine archäologischen Denkmäler einen wichtigen Beitrag zur Identifikation. Seine erhaltenen Reste sind gelegentlich Teil von Naturdenkmälern und erfordern einen erhöhten Aufwand bei Erhalt und Nutzung.
Der ORL und seine zugehörigen Denkmäler sind feste Größen in Leben und Arbeit der Anrainer. Dabei ist eine allmähliche Wandlung seiner Bedeutung festzustellen, die sich in einer zunehmenden öffentlichen Wahrnehmung des einzigartigen Charakters des ORL ausdrückt.
Zu den Besonderheiten des ORL als archäologischem Denkmal gehört, neben einem großen Anteil an oberirdisch sichtbaren Elementen, vor allem die Tatsache, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil seiner Substanz für das bloße Auge unsichtbar im Erdreich verborgen liegt. Auch diesem Umstand verdanken die antiken Zeugnisse ihre authentische Erhaltung über annähernd 1800 Jahre. Für die Vermittlung und Erschließung des ORL ergeben sich daraus jedoch besondere Aufgaben.
Der Obergermanisch-Raetische Limes als Welterbe
Das Welterbe-Komitee der UNESCO hat im Juli 2005 in Durban (Südafrika) die Aufnahme des Obergermanisch-Raetischen Limes als Teil des neuen Welterbes „Grenzen des römischen Reiches“ in die Liste der Welterbestätten beschlossen. Der UNESCO-Antrag war gemeinsam von den Ländern Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg erarbeitet und eingereicht worden. Der Limes wurde damit das einunddreißigste deutsche Objekt auf der Welterbeliste. Das Welterbe "Grenzen des Römischen Reiches: Obergermanisch-Raetischer Limes" umfasst etwa eine Fläche von 250 Quadratkilometern und durchzieht in den vier genannten Bundesländern über 150 Kommunen und 20 Landkreise.
Anforderungen an ein Welterbe
An Welterbestätten werden besondere Ansprüche in Bezug auf Umgang, Schutz und Pflege des Denkmals gestellt. Gemeinsam mit dem Antrag und einem ausführlichen Denkmalinventar gingen UNESCO und ICOMOS auch ein Schutz- und Entwicklungskonzept für den Limes zu.
Dieser „Management Plan“, der Teil des Welterbe-Antrags war, skizziert die wichtigsten „Gebote“ und „Verbote“ für den künftigen Umgang mit dem Welterbe. Auf Grundlage des Management Plans wurden von den Landesämtern für Denkmalpflege als zuständige Stellen länderspezifische "Limes-Entwicklungspläne" erarbeitet. Geplante Veränderungen im Welterbebereich und in der sie umgebenden Pufferzone sollen mit den Limesentwicklungsplänen konform sein. Darüber hinaus unterliegen grundsätzlich alle Veränderungen am archäologischen Bodendenkmal dem Genehmigungs- bzw. Erlaubnisvorbehalt durch die Denkmalschutzbehörden entsprechend den Denkmalschutzgesetzen der Länder.